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Von den enttäuschenden Messergebnissen keineswegs
entmutigt, brachen auch im Jahre 1769 wieder viele Astronomen auf um den Durchgang
zu beobachten. Jean Chappe d‘Auteroche (1722-1769), der bereits den Transit von
1761 in Sibirien beobachtet hatte, wurde nach San José (Baja California) entsandt, wo
er am 3. Juni eine erfolgreiche Messung durchführen konnte.
Die französische Expedition fand jedoch ein trauriges Ende. Die Region wurde von einer
unbekannten, gefährlichen Epidemie heimgesucht, die vielen Mitgliedern der Expedition
das Leben kostete. Auch Chappe erkrankte an Fieber. Er starb am 1. August.
Basierend auf Chappes Messungen schrieb Lexell, And. Joh., die
Berechnung der
Sonnenparallaxe aus dem Durchgange der Venus durch die Sonne 1769
(Quelle: Göttinger Digitalisierungszentrum)
Die heute vermutlich bekannteste Venus-Expedition ging von England aus. Die
Royal Society hatte gemeinsam mit der Royal Navy eine Reise nach Tahiti
geplant. Um das seltene Ereignis auf keinen Fall zu verpassen, verließ die Endeavour
unter Kapitän James Cook (1728-1779) bereits ein Jahr zuvor, am 26. August 1768, den
Hafen von Plymouth. Mit an Bord der Astronom Charles Green und die
Naturforscher Joseph Banks und Carl Solander. Bereits zwei Monate vor dem
Transit, am 13 April 1769 ging das Schiff bei Tahiti vor Anker.
Zu Ehren der Mission gab Cook der nördlichen Landzunge Tahitis nahe dem Ankerplatz
der Endeavour den Namen Point Venus. Hier soll die Beobachtung des
Venusdurchgangs stattgefunden haben.
Das astronomische Großereignis war allerdings nicht der einzige Grund für
Cooks Reise. Er hatte außerdem den Auftrag den Pazifik zu erforschen und wenn
möglich den vermuteten Kontinent Terra Australis zu finden. Nach dem
Venusdurchgang machte er sich auf den Weg. 1770 landete er an der Ostküste
Australiens und nahm sie als Neusüdwales für Großbritannien in Besitz. Australien
wurde schon zuvor von den Holländern entdeckt, die aber von einer Besitznahme
absahen, da sie das Land für wertlos hielten. Mit dieser und seiner zweiten
großen Endeckungsfahrt (1772-1775) gelang es James Cook aber letztlich die Annahme
eines riesigen Südkontinents zu widerlegen.
Cook's und Green's Skizzen vom Phänomen des "Schwarzen Tropfens" (Linda Hall Library collection)
Der in Schemnitz (Slowakei) geborene Jesuitenpater und Astronom Maximilian Hell (1720-1792), ab 1755 erster Vorstand der Universitätssternwarte im damals neu errichteten Universitätsgebäude (heute Akademie der Wissenschaften) in Wien, hatte bereits den Venusdurchgang von 1761 auf seiner Sternwarte beobachtet, gemeinsam mit Erzherzog Joseph.
Observatio transitus Veneris ante discum solis die 5ta junii 1761, Maximilian Hell, 1762 (Google books)
Zu Gast in Wien war damals auch der Direktor des Pariser Observatoriums Cèsar-Francois Cassini de Thury (1714-1784), der Enkelsohn des großen Astronomen Giovanni Domenico Cassini. Er beobachtete den Transit auf der Sternwarte von Pater Liesganig (Joseph Liesganig war von 1756-73 Präfekt der Sternwarte des Wiener Jesuitenkollegiums). Cassinis Beobachtungsbericht: "Observation du passage de Vénus sur le Soleil, Faite à Vienne en Autriche.
(pdf)"
1769 reiste Hell, auf Einladung des dänischen Königs Christian VII, nach Norwegen und beobachtete den Venustransit auf der Insel Vardö. Es war der am nördlichsten gelegene Ort, von wo aus dieser Transit mit verfolgt wurde.
Am Tag des großen Ereignisses zeigte sich der Himmel bedeckt. Aber der Astronom hatte großes Glück, denn die Wolken verschwanden gerade zur rechten Zeit und Hell konnte Eintritt und Austritt des Planetenscheibchens vor der Sonne beobachten. Aus den Messungen der beiden Venusdurchgänge des 18. Jahrhunderts ermittelte Hell 8,70'' als Wert für die Sonnenparallaxe, was 152.216760 km entspricht.
Original: Observatio transitus Veneris ante discum solis die 3 Junii anno 1769 Wardoehusii, Maximilian Hell, 1770 (Rare Book Collection, Universitätssternwarte Wien)
Übersetzung von L.A. Jungnitz: Beobachtung des Durchganges der Venus durch die Sonnenscheibe (1793), (Rare Book Collection, Universitätssternwarte Wien)
Hell wurde nach der Veröffentlichung seiner Arbeit zum Venustransit, zunächst von Lalande und noch Jahrzehnte nach seinem Tod, von Karl Ludwig von Littrow (1811-1877), der ab 1842 Direktor der Universitätssternwarte war, beschuldigt, seine Daten gefälscht, oder besser, sie nachträglich geändert zu haben. Littrow kam zu dieser Überzeugung, weil er meinte, Korrekturen, geschrieben mit unterschiedlicher Tinte in der Schrift Hells gefunden zu haben. Erst durch Simon Newcomb konnten 1883 die Zweifel an der Korrektheit der Arbeiten Maximilian Hells zum Venustransit ausgeräumt werden. Newcomb, der bei einem Besuch in Wien das Original einsehen konnte, bewies, dass Littrow sich auf Grund seiner Farbenblindheit geirrt hatte. Es stellte sich heraus, dass die umstrittenen Passagen nicht mit anderer Tinte geschrieben wurden. Littrow, dessen Farbenblindheit von Edmund Weiss (1837-1917), dem Direktor der Sternwarte bestätigt wurde, hatte vielmehr auf Grund seines Sehfehlers die Aufzeichnungen Hells falsch interpretiert. Die Tinte war nur durch ungleichmäßigen Druck heller und dunkler.
"So I asked Director Weiss
whether anything was known as to the normal character of Littrow's
power of distinguishing colors. His answer was prompt and
decisive. "Oh yes, Littrow was color-blind to red. He could not
distinguish between the color of Aldebaran and the whitest star."
No further research was necessary."
Side-Lights on Astronomy, Simon Newcomb; 1906
"On Hell alleged falsification of his observations of the transit of Venus in 1769" S. Newcomb 1883 (Artikel von Newcomb/ADS)
1935 wurde ein Mondkrater nach dem hervorragenden Wissenschaftler Maximilian Hell benannt. Der Krater Hell liegt etwas nördlich vom Krater Tycho.
Abbildung des Durchganges der Venus durch die Sonnenscheibe 1769 am 3ten Junii Ab: und der partialen Sonnenfinsterniss am 4ten Junii Morg Bildquelle: Deutliche Abhandlung nebst einer allgemeinen Charte von dem bevorstehenden merkwürdigen Durchgang der Venus durch die Sonnenscheibe am 3ten Junii dieses 1769sten Jahrs, Bode, Johann Elert, 1769
(Universitätsbibliothek Kiel)
Als wahrer Pechvogel ging Le Gentil de la Galaisière (1725-1792) in die Geschichte ein. Da er es 1761 nicht geschafft hatte seinen geplanten Beobachtungsort Pondichèry in Indien rechtzeitig zu erreichen und den Transit verpasst hatte (er befand sich auf einem Schiff Richtung Mauritius), entschloss er sich, gar nicht erst wieder nach Hause zu fahren, sondern die vollen acht Jahre auf Mauritius zu warten, um wenigstens den Venusdurchgang 1769 beobachten zu können. Diese Zeit wollte er nützen um die Insel zu erkunden.
Le Gentil wählte später Manila als Beobachtungsort für den nächsten Transit. Nachdem er 1766 dort eingetroffen war, erhielt er Nachricht von der französischen Akademie der Wissenschaften. Er wurde angewiesen zur Transitbeobachtung wieder nach Pondichèry zu fahren, obwohl an diesem Ort nur der Austritt beobachtbar war. Le Gentil machte sich auf den Weg und traf etwa ein Jahr vor dem Venusdurchgang am Zielort ein. Am Tag des Transits sah es zunächst noch sehr gut aus. Aber kurz vor Beginn des seltenen Ereignisses verhüllten Wolken die Sonne und machten alle Hoffnungen des Forschers auf eine zweite und letzte Chance zunichte. Später erfuhr der vom Unglück verfolgte Le Gentil auch noch, dass am Tag des Transits über Manila strahlend blauer Himmel war.
Insgesamt waren die Ergebnisse der Beobachtungen von 1769 wieder nicht zufriedenstellend, obwohl sie besser untereinander überein stimmten als die von 1761.
Mehrere Astronomen, darunter auch der österreichische Astronom P. Placidus Fixlmillner (auch Fixlmüller), ab 1762 Direktor der Sternwarte des Stiftes Kremsmünster, haben versucht aus den weltweit gesammelten Beobachtungsdaten dieses Transits die Sonnenparallaxe zu berechnen. Fixlmillner kam auf das bemerkenswerte Ergebnis von 8,54'', was 154,05 Millionen km entspricht.
De parallaxi solis e transitu Veneris infra solem die 3 Iunii anno 1769 observato definienda. In: Acta astronomica Cremifanensia : divisa in partes duas, Placidus Fixlmillner Styrae, 1791 (ETH-Bibliothek)
Fixlmillners Arbeiten zum Venusdurchgang vom 3. Juni 1769 Museum der Sternwarte Kremsmünster
Lalande kam 1771, wie 1835 auch Encke nach der Auswertung der beiden Venusdurchgänge 1761/1769 auf ein Ergebnis von etwa 153 Millionen km. Pingrè kam hingegen auf 142,9 Millionen km.
Abbildung 1: Zeichnungen des Transits von James Cook und Charles Green
Bildquelle: Armagh Observatory
Abbildung 2: Maximilian Hell
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